Michael Müller

Wucht, Präzision und Leidenschaft: Gail Davies beeindruckte im Schüttekeller

(sir) "Genau so muss es klingen!" raunte einer der betörten Zuschauer in die andächtige Stille nach Gail Davies' Ballade "More and More", bevor prasselnder Beifall einsetzte. In der Tat: Selbst das verwöhnteste musikalische Ohr konnte an den Tönen, die am vergangenen Freitag den Bühler Schüttekeller erfüllten, nichts auszusetzen haben. Besser als bei diesem Konzert können Instrumente und Stimmen kaum klingen, dabei war der technische Aufwand minimal – drei Mikrofone und zwei kleine Gitarrenverstärker standen auf der Bühne. Guten Musikern genügt das allemal, um tolle Musik zu erzeugen.

Wer Gail Davies nur von ihren zahlreichen Platten kannte, konnte den Auftritt einer versierten Musikerin erwarten, aber nicht unbedingt das unbändige musikalische Temperament und die Power, die diese Frau auf der Bühne entfaltet. Klangen die ersten drei, vier Songs noch routiniert, so erreichte Gail Davies spätestens bei ihrer beeindruckenden Eigenkomposition "I wanna be right by you" die Betriebstemperatur und Intensität, die man von einer Soulsängerin, aber nicht unbedingt von einer Country-Interpretin erwarten würde. Ihr rhythmusbetontes Gitarrenspiel beeindruckte besonders bei Nummern wie "Poison Love" oder "Wedding Invitation", wo sie mit voller Wucht die Saiten ihrer schönen Martin-Gitarre durchschlug, unterstützt vom ebenso präzise akzentuierenden Mandolinenspiel ihres englischen Mitspielers Dave Luke. Aber auch ihr Fingerpicking-Spiel bei den leiseren Balladen war tadellos. Den E-Bass bediente ruhig und souverän Gails Mann Robert Price. Es lohnte sich, bei diesem Bassisten genau hinzuhören, denn er spielte einen sehr melodiösen und einfallsreichen Bass mit wunderbaren Verzierungen an den richtigen Stellen, besonders meisterhaft bei der in Teilen dreistimmig gesungenen Ballade "Kentucky", die durch nicht enden wollenden Beifall belohnt wurde.

Von der Mandoline wechselte Dave Luke gelegentlich an die E-Gitarre, ein im Schüttekeller selten (oder sollte man sagen: nicht gern) gehörtes Instrument, das jedoch zur Musik von Gail Davies dazugehört. Luke spielte seine Strat so dezent und geschmackvoll und mit einem so angenehmen Sound, dass selbst dogmatische Anhänger akustischer Musik keinen Anstoß daran nahmen. Zumal man sich Country-Klassiker wie "I can't help it (if I'm still in love with you)" ohne eine gepflegte E-Gitarre kaum vorstellen mag.

Nach etlichen Zugaben ging das Konzert mit einer dreistimmigen A-cappella-Version des Gospel-Klassikers "Farther Along" zu Ende. Rüdiger Schmitt konnte sich über Besucher aus dem benachbarten Elsaß, aus dem Frankfurter Raum, der Pfalz und am 11.11. sogar einen Gast aus Köln, freuen.